Wörter, die ich in „Keynotes“ nicht mehr hören will... – Eine analytische Polemik
Es ist noch keine zehn Jahre her, da konnte man als zahlender Fachbesucher einigermaßen sicher sein: Wenn auf einer Veranstaltung ein Hauptredner als solcher angekündigt wurde, würde dieser in der Lage sein, einen oft von PowerPoint gestützten (oder gestörten...) Vortrag zu halten, in dem sich die Sätze zu einer grammatisch und rhetorisch-argumentativ weitgehend korrekten und für den Zuhörer nachvollziehbaren bis angenehmen Weise aneinanderreihten.
Diese Zeiten sind wohl vorbei, wie mir ein Rückblick auf meine persönlichen Tagungserlebnisse der letzten Monate insbesondere im IT-Umfeld zeigt. Heute heißen hektisch heruntergehaspelte PowerPoint-Vorführungen vor unruhigen Tablet-Tippern „Keynote“, bieten aber leider zumeist keinen Schlüssel für gar nichts, höchstens ein paar Zahlen und Eigenwerbung. Von sogenannten Workshops oder „Sessions“, also zumeist rein zeitlich abgegrenzten (längeren oder kürzeren) Formaten, hier mal ganz zu schweigen.
Was dem veranstaltungs- und redeerfahrenen Besucher immer wieder als quälend auffällt: Der 30+-„Speaker“ unserer Tage hält es offenbar nicht mehr für nötig, seinen Vortrag als zusammenhängende Rede vorzubereiten und zu halten. Man richtet sich lieber nach den PowerPoint-Schemata (ja, liebe Nachwuchsredner, der Plural von Schema ist nicht Schemen!), die das eher verhindern. Statt einer solchen gibt es dann viele Allgemeinplätze und Leerformeln, die zumeist als irgendeine Sorte von „Tipps“ verkauft werden. Sie werden dargebracht in manchmal kurios unverbundenen (gern von der „Folie“ abgelesenen) Sprech-Stich-Sätzen, die fast nie diskursiv oder rhetorisch argumentieren oder überzeugen, sondern stets bloß aufzählen, brav an den vorgelegten Bullet Points entlang. Darin und dazwischen eine kaum mehr mitzählbare Menge an Nicht-Übergangs-Leerworten aus dem restringierten mündlichen Code der Facebook-Generation, die vermutlich von der Unterscheidung zwischen Umgangs-, Rede- und Schrift-Sprache schlicht nie gehört hat, sondern auch als fachöffentlicher „Speaker“ noch nachbrabbelt, was der gleichaltrige Chef oder die Start-up-Peer-Group alltäglich so vorkauderwelschen.
Vier Beispiele sind hier die (für den Zuhörer und die deutsche Rede-Sprache) schwer erträglichen neuen „Klassiker“ im Munde von Rednern, die eigentlich keine solchen mehr sind, sein können oder sein wollen:
„Genau.“ – Der selbstbestätigend-punktierende Hinweis nach jedem zweiten Sprechsatz verweist sprachpsychologisch (tja, man sagt halt immer mehr und oft anderes, als man meint...) auf die fundamentale eigene Unsicherheit und die mangelnde Ordnung im eigenen Kopf, in dem die Spiegelstriche immer nur unverbunden vorliegen - und man nun den nächsten irgendwie anvisieren muss.
„Das heißt...“ – Das heißt in der Regel nur, dass der Redner nicht weiß, was das gerade Gesagte mit dem nun Folgenden zu tun hat. Vermutlich schwebt eine unklare Gleichsetzungsidee im Kopf des Sprechers herum, die aber auch eine Ableitungs- oder Folge-Idee sein könnte. Es werden leider keine explizit-diskursiven Verbindungen aufgebaut, die aber den eigentlich Rede-Sinn ausmachen würden. Der kann ja nicht nur aus Wiederholungen bestehen, die alle dasselbe „heißen“.
„So’n bisschen...“ – Je unklarer der Gedanke, desto mehr ist sein Inhalt „ein bisschen“ irgendwie, meinen viele Keynoter. Die Vermündlichung soll wohl "irgendwie" authentisch wirken, verschleiert aber nur mangelnde Klarheit des Gedankens – dies allerdings recht ungeschickt und nervtötend.
„Und – dann...“ – Und dann wäre da natürlich noch der Klassiker aller Angstredner schlechthin, das reihende „und“ am Anfang fast jeden Satzes, gelegentlich variiert mit der allen Eltern nur zu gut bekannten Kinder-Erzählungsvariante „und dann...“ Nichts gegen ein gutes, klares „und“, wo es tatsächlich eine einzelne reihende Hinzufügung benennen soll. Normalerweise kann man es aber einfach streichen und erhält zumindest potenziell Sätze, die nacheinander stehen und wirken können. Oder - noch besser - man findet geeignete verbindend-überleitende Wörter zwischen den Sätzen, die dem – dann natürlich vorausgesetzten – diskursiven Gang des Gedankens folgen. Denn die deutsche Sprache ist doch so reich an geeigneten Adverbien, Konjunktionen und Co., die gemeinte Zusammenhänge deutlich machen.
Nun, liebe Nachwuchsredner in der schönen neuen Techno-Welt, jeder tut wohl, was er kann, im Business und in der Rede. Ich alter Mann mit langer Technologie- und Rede-Erfahrung kann euch nur raten: Vermeidet das Brabbeln und die Leer-Schein-Verbindungen. Lernt (wieder oder erstmals) sprechen und Reden halten, über die Sache, zum Publikum. Das kann man ja trainieren. Dann klappt’s auch mit der Aufmerksamkeit der ja heute ohnehin oft seltsam abschweifigen Zuhörer. Viel Erfolg!
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