„Framing“? – Gibt‘s nicht. Und Diskurse sind träge.
Schon kurios, aus was für Nicht-Themen unsere Leitmedien immer mal wieder einen Aufreger machen können. Letzte Woche also ein altes „Framing“-Papier der ARD. Schräger Vorwurf: Die Sender-Gruppe versuche, ihre Beitragszahler mit unmoralischen Kommunikationstricks zu manipulieren – und gebe dafür auch noch Gebührengeld aus. Ach was, hätte Loriot vielleicht gesagt. Ist halt verbandspolitisches, interessegeleitetes Kommunikationshandeln, wenn auch etwas ungeschickt.
„Framing“ ist ja eigentlich etwas Trivial-Selbstverständliches, weil jeder Gebrauch von Worten einen „Rahmen“ für die Mithörenden öffnet – das nennt man Kommunikation. Aber „Framing“ ist halt auch ein altes Buzzword aus dem Umfeld des in den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts modisch-popularisierten „neurolinguistischen Programmierens“, schon damals von der kritisch-schreibenden Zunft gern mit „Manipulationsverdacht“ belegt. Von diesem Diskurs aus ist es in die sich irgendwie „systemisch“ selbstfindenden Kommunikationswissenschaften eingewandert, wenn auch eher unpräzise definiert und ungeschickt theoretisch aufgewertet. Wenn es von dort aus allerdings – wie jetzt im Falle des ARD-Beratungspapiers (einer Workshopauswertung von Elisabeth Wehling) – in die kommunikative Praxis der Öffentlichkeitsarbeit zurückwandert, wird es oft eher komisch als hilfreich, gerade für den teuer zahlenden Auftraggeber, über den jetzt eher gelacht wird – was kaum als gelungenes „Framing“ bezeichnet werden kann. Aber das ziemlich teure Workshop-Papier sollte ja auch gar nicht öffentlich und noch weniger angewendet werden, heißt es. Also wozu das alles?
Nun ist ja Frau Wehling, die Autorin, wohl in Kalifornien lehrend, dann doch keine bessere PR-Agentur. Letztere wäre auch für die ARD womöglich im deutschen ARD-Heimat-Diskurs-„Rahmen“ (sic) zu finden gewesen, wenn man hilfreiche Ergebnisse statt realitätsfremde Wort-Schaumschlägerei aus offenen Workshops selbstbezogener Geister hätte erhalten wollen. Denn PR besteht ja immer schon aus Arbeit an und in den „Frames“, die man besser „Diskurse“ (öffentliche, abgrenzbare, archivierbare Gespräche) nennen sollte. Nur wird der gelernte Diskurs-Praktiker nicht auf Allmachtsphantasien verfallen, wie sie darin zum Ausdruck kommen, dass Freund-Feind-Wortpaare zur Dauerbenutzung vorgeschlagen werden, die leider keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt an/in real gegebenen Diskurs-Umgebungen finden und deshalb von vornherein gar keine „Framing“-/Diskurs-Macht entfalten können. Wie kann man sich denn zum Beispiel vorstellen, im öffentlichen Gespräch eine „moralisch-gute“ ARD-Anstalt im Dauer-Selbst-Lob-Modus und zugleich im Kampf-Modus gegen die marktfinanzierten, „bösen“ Privaten zu hören? Hört ja keiner zu! PR aber ist Kommunikationsarbeit in realen Diskursprozessen, nicht abstrakt vom Schreibtisch aus beschlossenes Fallenlassen von Buzzwords oder gar kontrafaktischen, absenderorientierten Floskeln. Wer diskursive Räume gar nicht erkennen kann, kann auch das eigene Mitsprech-Interesse darin gar nicht sauber definieren, geschweige denn eigene „kreative“ (bisher nicht gebrauchte) Wort-Entwicklungen (besser: Claiming-Formeln, Diskurssymbole etc.) einspeisen. Und mit so einem Einspeisen des eigenen „Wordings“ ist ja ein „Framing“ noch lange nicht erreicht. Diskurse sind durchaus träge Systeme, da „framet“ man nicht mal eben was, das braucht Zeit und Geld für die Kommunikation auf vielen Kanälen.
Insofern stehen wir in dieser seltsamen „Debatte“ vor einem etwas nutzlosen, selbstbezogen Medien-Geplauder. Das eigentlich anvisierte Publikum kümmert’s nicht. Aber die beteiligten Medien sind sich in ihren Wertungen nicht zu schade, der um professionelles Wording (wenn auch mit falschen Beratern und Mitteln und Ergebnissen) immerhin bemühten „moralischen ARD-Anstalt“ sogar ein irgendwie orwellsches „Neusprech“ (so – ausgerechnet - in der WELT) oder andere „Geheimsache“-Vernebelungstaktiken (so BILD, selbst die „Framing“-Königin, wenn es ums Skandal-Negative geht) zu unterstellen. Hier herrscht offenbar eine ganz andere Rat- und Themenlosigkeit vor als bei der armen Tante ARD. Die war immerhin schlau genug, die Vorschläge des internen Workshop-Papiers in den zwei Jahren seit Erstellung NICHT in ihre Kommunikation eingehen zu lassen. (Jedenfalls habe ich es nicht bemerkt.) Manches kann man sich halt sparen, wenn man mal nicht der eigenen Existenz- oder Struktur-Angst, sondern einer begründeten (PR-) Linie folgt. So lernen wir dann vielleicht doch noch was draus…